Perathoner & Pfefferl

Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV mit anschließendem Beitragsbescheid

Sie haben oder hatten eine Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV?

Der Betriebsprüfer wird nunmehr prüfen, ob die freien Mitarbeiter tatsächlich selbständig tätig waren, oder ob nicht doch eine abhängige Beschäftigung, also eine Scheinselbständigleit vorlag. Dabei wird er die letzten 4 Jahre vor der Betriebsprüfung untersuchen. Dazu wird er verschiedene Rechnung des freien Mitarbeiters anfordern, eigene Recherchen anstellen und gegebenenfalls den Auftraggeber und den freien Mitarbeiter befragen.

Jetzt ist Vorsicht geboten!

Wir erleben es häufig, dass unsere Mandanten oder deren Steuerberater die bei der Prüfung auftretenden Fragen des Prüfers nicht mit der notwendigen Sorgfalt beantworten. Nicht selten werden Angaben gemacht, die nicht zutreffend sind und massiv schaden. Unbedachte Äußerungen über die Ausgestaltung eines Werkvertrages können schon dazu führen, dass eine abhängige Beschäftigung Ihrer freien Mitarbeiter angenommen wird. Das führt zu einem Beitragsbescheid über die nicht entrichteten Sozialversicherungsabgaben, wobei Sie als Arbeitgeber dann für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (also Arbeitnehmer und Arbeitgeberanteile) haften.

Im schlimmsten Fall kommt es dann auch noch zum Strafverfahren. Die gute Nachricht ist, dass die Deutsche Rentenversicherung zurückhaltend ist mit dem Stellen von Strafanzeigen (denn in fast jedem Fall der Scheinselbständigkeit liegt ein Verstoß gegen die Strafgesetzte (§ 266a StGB) vor).

Das ändert aber nichts an einer hohen Beitragsforderung, die häufig die wirtschaftliche Existenz eines Betriebes bedrohen kann. Wichtig ist jetzt erst einmal, dass Sie richtig beraten werden. Viele Unternehmer glauben, allein die Tatsache, dass ein „freier Mitarbeiter“ auch für andere Auftraggeber tätig ist, reicht für die Annahme seiner Selbständigkeit. Das ist aber weit gefehlt. Grundsätzlich muss ein Selbständiger eine eigene Betriebsstätte haben, ein Unternehmensrisiko tragen und darf nicht in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert sein. Aus den vielen kleinen Indizien bildet der Prüfer seine Meinung. Es wird wohl nicht überraschen, dass er dabei gerne zu dem Schluss kommt, dass ein Selbständiger eben doch ein Arbeitnehmer war und damit die Sozialabgaben (also der Anteil der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer) vom geprüften Betrieb inklusive der Säumniszuschläge für die letzten 4 Jahre zu entrichten sind.

Sollte der Betriebsprüfer zu dem Schluss kommen, dass die Einordnung des Arbeitnehmers als freier Mitarbeiter vorsätzlich falsch unternommen wurde, so können die Beiträge nicht nur für 4 Jahre, sondern für 30 Jahre nachgefordert werden. (§ 25 Abs. 1 SGB IV).  

Und es kommt noch schlimmer:

Nachdem die unterbliebene Anmeldung der „freien Mitarbeiter“ (die nach Meinung des Betriebsprüfers, die er sich am Ende der Betriebsprüfung bildet, Arbeitnehmer sind) ein illegales Beschäftigungsverhältnis darstellt, greift eine weitere äußerst unangenehme Vorschrift des SGB IV, die Strafcharakter hat, die sogenannte

Nettolohnfiktion.  

Nettolohnfiktion bedeutet, dass die gesamten Zahlungen, die an einen freien Mitarbeiter, der vom Betriebsprüfer als Arbeitnehmer eingestuft wird, als Nettolohn angesehen werden und davon ausgehend rückgerechnet wird, wie hoch der Bruttolohn gewesen wäre, um danach den Gesamtbeitrag zur Sozialversicherung zu berechnen.

Hier ein einfaches Beispiel:

Der freie Mitarbeiter stellt für den Monat Dezember 2015 eine Rechnung in Höhe von 3184,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer in Höhe von 604,96  €, also eine Gesamtrechnung von 3.788,96 €. Nun wird  also der Betrag von 3.788,96 € als Nettolohn angesehen.

Daraus ergibt sich ein Bruttobetrag von 6000,00 €. Die auf diesen Betrag anfallenden Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung belaufen sich auf 2.211 € für diesen Monat. Soweit der freie Mitarbeiter nunmehr schon 4 Jahre lang so beschäftigt war, ergibt sich eine Nachforderung von 106.000 € zuzüglich Säumniszuschläge von 50.880 €, also ein Gesamtbetrag von 156.880 €.   Dieser Betrag wird dann im Rahmen eines  Beitragsbescheides von der Deutschen Rentenversicherung Bund eingefordert nachdem der Beitragsschuldner (also der Arbeitgeber) zuvor angehört wurde.  

Widerspruch gegen den Beitragsbescheid

Sobald der Bescheid ergangen ist haben Sie einen Monat Zeit, einen Widerspruch zu erheben. Es handelt sich um eine Notfrist, bei Fristversäumnis wird der Bescheid rechtskräftig.

Sofortige Vollziehung und einstweiliger Rechtsschutz

Der Widerspruch alleine aber führt nicht dazu, dass der Arbeitgeber die Summe aus dem Beitragsbescheid der Deutschen Rentenversicherung nicht zahlen muss, denn der Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung. Die  aufschiebende Wirkung kann in einem gesonderten Verfahren, zunächst  bei der Deutschen Rentenversicherung (die diesen Antrag ziemlich sicher ablehnen wird)  beantragt werden. Dafür muß entweder in der Vollstreckung des Beitragsbescheides entweder eine unbillige Härte gesehen werden, oder aber ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Die Voraussetzungen dafür sind als sehr hoch einzustufen, die Darlegungspflicht ist immens.   Sobald die Deutsche Rentenversicherung die Aussetzung der sofortigen Vollziehung abgelehnt hat, werden die Krankenkassen als Einzugsstelle für die Sozialversicherungsbeiträge die Forderung beim Arbeitgeber pfänden. Jetzt hilft nur noch ein Antrag auf Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes bei dem zuständigen Sozialgericht. Sofern dann dargelegt werden kann, dass die sofortige Vollziehung z.B. zur Insolvenz des Betriebes führen würde, oder aber der Bescheid  schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig erscheint, setzt das Sozialgericht die sofortige Vollziehung aus. Obwohl die Voraussetzungen sehr hoch  sind, haben wir in der Vergangenheit immer wieder Verfahren geführt, in denen das Sozialgericht ernsthafte Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des Bescheides der deutschen Rentenversicherung gehabt hatte und daher die sofortige Vollziehung ausgesetzt hat. In einem solchen Fall muss die Rentenversicherung schon überlegen, ob sie das Verfahren überhaupt fortführt oder den Bescheid aufhebt, da dies eine gewisse präjudizielle Wirkung entfaltet. 

 

Wenn dann die Deutsche Rentenversicherung den Widerspruch mit einem Widerspruchsbescheid ablehnt (also nicht abhilft) muss wiederum Klage vor dem Sozialgericht erhoben werden. Dort wird dann eingehend geprüft, ob die freien Mitarbeiter die Kriterien für die Selbständigkeit oder aber für die abhängige Beschäftigung erfüllen. Im Regelfall sind Anhaltspunkte sowohl für die eine als auch die andere Auffassung vorhanden, es kommt dann auf die Frage der Gewichtung an. Um einen entsprechend erfolgreichen Vortrag bringen zu können ist für den Rechtsanwalt der sie vertritt, nicht nur einschlägige Erfahrung sondern auch die tatkräftige Unterstützung durch seinen Mandanten wichtig. Es kommt nämlich auf noch so unbedeutend erscheinende Tatsachen an, wie z.B. ob der freie Mitarbeiter ein Telefaxgerät, Visitenkarten oder eigene Arbeitsbekleidung besessen hat, wie oft er im Betrieb des Auftraggebers war und welche Arbeitsmittel er eingesetzt hat.   Es dürfte selbstverständlich sein, dass man in diesem Bereich nur einen Rechtsanwalt beauftragen sollte, der die nötige Kompetenz im Bereich der Scheinselbständigkeit aufweisen kann.    

 

Der Autor dieses Artikels ist im Bereich der Scheinselbständigkeit seit vielen Jahren tätig und vertritt Unternehmen vor dem Sozialgericht und dem Strafgericht. Er ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht und seit 1997 als Rechtsanwalt zugelassen und in der Kanzlei Perathoner & Pfefferl in München Bogenhausen tätig.